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Welterbe Doñana – bald eine Wüste?

  • oliversdrojek
  • 14. Mai 2023
  • 10 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Juli 2024


Spanien Andalusien Nationalpark Doñana El Rocío Lagune Flamingos

Spaniens drittgrößter Nationalpark, für Zugvögel eine wichtige Etappe auf dem Weg nach Afrika, ist bedroht. Alarmierende Medienberichte berichten von Erdbeerbauern in der andalusischen Provinz Huelva, die dem Feuchtgebiet und Biosphärenreservat das Wasser abgraben. Was ist dort los? Besteht im Zeichen des Klimawandels noch Hoffnung für Doñana?


Schnabel im Wasser, auf Streichholz-Beinen einen Schritt vor, einen zurück: Etwa dreißig Flamingos staken durch den flachen Tümpel, in dem sich der fast wolkenlose Himmel spiegelt. Am Ufer grasen fast ebenso viele Pferde in freier Wildbahn. Auf den Bäumen ringsherum halten Meerreiher Ausschau. Maikäfer fliegen durch die warme Luft, Bienen summen, irgendwo klappert ein Storch.


Königin des Marschlandes

In der Lagune von El Rocío scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Der Wallfahrtsort mit seinen weißen Häuschen und unbefestigten Sandpisten, auf denen Pferd und Reiter Vorfahrt haben, ist über Spanien hinaus bekannt, ein beliebtes Motiv der Tourismus-Werbung. Ausländische Urlauber an der Costa de la Luz machen einen Tagesausflug und fühlen sich in ein Western-Dorf versetzt. Für viele Spanier ist El Rocío ein magischer Ort. Hier wird die Jungfrau Maria als „weiße Taube“ und „Königin des Marschlandes“ angebetet. Mit goldener Krone auf dem Haupt in ein prachtvolles Gewand gehüllt, thront die Virgen del Rocío in der Wallfahrtskirche, die 1969 geweiht und 1993 von Papst Johannes Paul II. besucht wurde. Ihr zu Ehren strömen zu Pfingsten bis zu eine Million Menschen nach El Rocío. Viele sind in Bruderschaften organisiert, pilgern zu Fuß oder mit dem Pferdewagen. Die Frauen tragen Flamenco-Kleider mit bunten Rüschen, die Männer Reiterkluft mit Weste und Hut. Es wird gesungen, getanzt und viel getrunken. Auf Außenstehende macht das einen eher nicht-katholischen Eindruck, was zum einen an der andalusischen Interpretation des Katholizismus liegt, zum anderen daran, dass viele Rocieros keine aktiven Kirchgänger sind. Sie kommen wegen der Fiesta, der einzigartigen Atmosphäre. El Rocío gehört zur andalusischen Folklore wie das Oktoberfest zu Bayern. Es ist ein Ort, der Identität stiftet, ein Projektionsort für Sehnsüchte, die perfekte Bühne für Politiker. Wobei es hier bei Sonntagsreden kein Bier, sondern Sherry gibt.


Die Lagune von El Rocío im April 2023


Rotes Gold

El Rocío liegt am Rand des unbewohnten Nationalparks Doñana, der sich auf 542 km² bis zum Atlantik und der Mündung des Guadalquivir erstreckt. Zusätzlich sind 722 km² als Naturpark und Pufferzone deklariert. Im gesamten Gebiet, das so groß ist wie Berlin, Hamburg und Köln zusammen, leben rund 46.000 Menschen, die meisten sind direkt oder indirekt in der Landwirtschaft beschäftigt, hinzu kommen über 10.000 Saisonarbeiter, viele aus Marokko und Rumänien. Wer von Sevilla auf der Landstraße nach El Rocío fährt, durchquert zunächst Orangen- und Olivenhaine, den von hohen Laubbäumen gesäumten Rio Guadiamar und schließlich ausgedehnte Pinienwälder, in denen es angenehm schattig ist. Kurz vor El Rocío ändert sich das Bild schlagartig: links und rechts Gewächshaus-Plantagen, in denen unter Plastikfolie Erdbeeren angebaut werden, hier und da auch Him -, Blau- und Brombeeren. Es ist Ende April, über 30 Grad im Schatten und riecht wie bei Oma, die Marmelade kocht.

„Fotos, no!“, ruft eine Frau im mittleren Alter mit osteuropäischem Akzent. Der Autor dieser Reportage zielt mit der Kamera über einen Zaun mit Sichtblende und Stacheldraht hinweg in das Innere einer Plantage. Im öffentlichen Straßengraben häuft sich Plastikmüll, aus einem lecken Rohr rinnt Wasser. Knipps, knipps, knipps. Die Frau schimpft und ruft jemanden an. El Jefe! Ich bin ohne Presseausweis unterwegs und verlasse besser früher als später diese unwirtliche Ecke.


Erdbeerplantage am Nordrand des Nationalparks


Erdbeerbauern, die etwas zu verbergen haben: vielleicht einen illegalen Brunnen, mit dem sie das Grundwasser anzapfen, miserable Arbeitsbedingungen, oder beides zugleich? Das Erlebnis am Zaun passt ins Bild, das deutschsprachige Medien seit vielen Jahren pünktlich zur Saison der importierten Früherdbeeren verbreiten. Quer durchs ideologisch-politische Spektrum warnt man vor den „Klima-Killern“ (Focus), die den „Nationalpark austrocknen“ (Stern), eine „Katastrophe für ganz Europa“ (TAZ) sind. Doch dem „Fluch des roten Goldes“ (FAZ) zum Trotz ist Deutschland mit über 113.000 Tonnen pro Jahr der wichtigste Importeur, ein Drittel der Exporte geht ins erdbeerhungrige Deutschland. Ob frisch, tiefgefroren oder im Joghurt: Fast die Hälfte der zwischen Kiel und München verzehrten Früchte stammt aus Andalusien. Laut fruchtportal.de gehöre die vitaminreiche Ware „zu den kontinuierlichen Wachstumsprodukten“.

Bis zu 300 Liter Wasser seien für die Produktion eines Kilogramms Erdbeeren notwendig, sagt der WWF. Klingt viel, ist es aber nicht, schaut man sich die Wasserbilanz von anderen Obstsorten aus dem Süden an: Bis zu 500 Liter sind es bei Zitrusfrüchten. Die spanischen Orangen und Zitronen stammen hauptsächlich aus den Regionen Murcia und Valencia, wo es weniger regnet als in Huelva. Spanische Avocados, von denen Deutschland 12.000 Tonnen importiert, kommen aus dem besonders trockenen Küstenstreifen zwischen Málaga und Granada. Wasser-Fußabdruck: 1.000 bis 1.500 Liter, je nach Quelle.


Erdbeeren aus Spanien Provinz Huelva Doñana Nationalpark
Pralle Früchte mit Wasser-Fußabdruck: Erdbeeren aus der Region Huelva

Streit ums Milliardengeschäft

Ungeachtet dieser grundsätzlichen Fragen werden die Negativ-Schlagzeilen rund um spanische Erdbeeren aktuell durch einen politisch-gesellschaftlichen Streit von internationalen Ausmaßen angefeuert: Auf der einen Seite stehen ein Teil der Landwirte im Doñana-Gebiet und die andalusische Landesregierung in Sevilla, die sich auf eine rechts-konservative Mehrheit im Parlament stützt. Dieser Block will kraft Gesetz Plantagen ohne Bewässerungslizenzen mit illegalen Brunnen an ein offizielles Bewässerungsnetz anschließen. Betroffen sind laut offiziellen Angaben 750 Hektar Anbaufläche. Der Haken: Die offizielle Infrastruktur mit Ressourcen aus umgeleiteten Flüssen und aufbereitetem Abwasser existiert bisher nur auf dem Papier und fällt in die Zuständigkeit der Regierung in Madrid. Auf der anderen Seite stehen die linke Zentralregierung in Madrid unter Ministerpräsident Pedro Sánchez, Umweltverbände mit dem WWF an der Spitze und die EU-Kommission. Der WWF, der einen historischen Mitverdienst am 1969 ins Leben gerufenen Nationalpark hat, spricht von einer Amnestie für 1.900 Hektar illegales Plantagenland auf Kosten des Grundwassers. „Doñana ist unantastbar“ verkündete Regierungschef Pedro Sánchez am Rand einer ausgetrockneten Lagune vor der Presse. Seine Regierung hatte zwar im ersten Amtsjahr 2018 ein Gesetz zur Umleitung von Oberflächenwasser aus weiter westlich gelegenen Flüssen verabschiedet, doch dieses zielt in erster Linie auf die Erholung der unterirdischen Wasserreserven Doñanas ab. Das Gesetz von 2018 schien aber auch Spielraum für die Landwirtschaft zu lassen. Auf den diesbezüglichen Passus bezieht sich der umstrittene Gesetzesentwurf der andalusischen Regierung. Im Einklang mit dem Bauernverband Plataforma Regadios de Doñana fordern die Andalusier von der Zentralregierung den zügigen Aufbau der versprochenen Infrastruktur. Madrid will diese bis 2027 fertigstellen und stellt dafür 200 Millionen Euro bereit – jedoch nicht, um die Landwirtschaft zu fördern, sondern um den vor Versalzung bedrohten Grundwasserspiegel zu heben, wie von Wissenschaftlern seit langem gefordert. Viel Geld, weitaus mehr als von der Regierung versprochen, steht für die Provinz Huelva auf dem Spiel. Nach Angaben des regionalen Branchenverbandes erwirtschaftet der Beerenanbau allein durch Exporte 1,4 Milliarden Euro. Und natürlich essen auch viele Spanier und Touristen gern frische Erdbeeren. Wobei nicht alle roten Früchte von Plantagen mit illegalen Brunnen aus dem Umfeld des Nationalparks stammen. Viele Plantagen liegen bis zu 100 km entfernt nahe der Grenze zu Portugal.


Spanien Andalusien Nationalpark Doñana Flamingo Besucherzentrum
Besucherzentrum in El Rocío: Flamingos bald nur noch als Pappkameraden?

„Das Gesetzesvorhaben ist verwegen“, sagt Manuel Delgado. Der stämmige Mann mittleren Alters im himbeerfarbenen Poloshirt ist kein Umweltschützer vom WWF, sondern der Sprecher des Verbandes AAPD, der 350 Landwirte im Umfeld von Doñana und 52% der Anbaufläche vertritt. „Nicht einmal wir, die wir hier seit 40 Jahren legal Landwirtschaft betreiben, haben ausreichend Wasser. Wie kann man in einer solchen Situation mehr versprechen und diejenigen belohnen, die sich nicht an die Gesetze halten?“, fragt Delgado. „Der Ruf einer ganzen Anbauregion steht auf dem Spiel. Bei den Konsumenten entsteht ein verzerrtes Bild, denn nur ein Teil der Produkte aus Doñana werden mit illegaler Bewässerung angebaut“, erklärt Delgado. „Wie kostbar Wasser ist, wissen wir ganz genau, aus diesem Grund investieren wir seit Jahrzehnten in effiziente Bewässerung und ökologische Landwirtschaft“.


Mit Angelika Merkel durch die Wildnis

Die Regierung Sánchez, die sich den ökologischen Umbau Spaniens auf die Fahnen geschrieben hat, will gegen die Pläne Sevillas notfalls vor das Verfassungsgericht ziehen. Der Sozialist Pedro Sánchez kennt den Nationalpark sehr gut. Wie alle Ministerpräsidenten der spanischen Demokratie vor ihm, von Felipe González bis Mariano Rajoy, verbringt er gern ein paar Urlaubstage im Palacio de las Marismillas, ein offizielles Gästehaus der Regierung. Im August 2018 begrüßte er dort zusammen mit seiner Ehefrau Angela Merkel und Joachim Sauer. Auf dem Programm standen eine Bootsfahrt auf dem Guadalquivir, Kurzwanderungen, Begegnungen mit friedlichen Wildschweinen sowie Luchsen der einheimischen Rasse Lynx pardinus, die vom Aussterben bedroht ist und um deren Rettung Biologen seit Jahrzehnten kämpfen. Sánchez weiß um die internationale Reichweite des Themas Doñana und will den Imageschaden unbedingt verhindern. Seine Gegner kontern, er nutze das Thema schamlos für die Regional- und Kommunalwahlen am 28. Mai aus und mache Stimmung bei der EU gegen die legitimen Forderungen aus Andalusien.


Spanien Andalusien Nationalpark Doñana

Keinen Meter weiter: Zaun des Nationalparks bei Matalascañas


Golfplatz ohne Greens

Die Luft flimmert, links der Straße graubraunes Flachland mit niedrigen Büschen, rechts silbrig leuchtende Plastiktunnel. Schnurstracks führt die A-483 auf zwanzig Kilometern von El Rocio nach Matalascañas. Begrenzt von einem ebenso langen Drahtzaun mit „Parque Nacional“-Schildern, schlägt die Straße eine Schneise in den Badeort am Atlantik. Matalascañas entstand in den 1960er Jahren und beherbergt im Hochsommer über 150.000 Urlauber. Die meisten kommen aus dem 90 km entfernten Sevilla. Zu Stoßzeiten bilden Pkw und Busse kilometerlange Staus. Mehr Fahrspuren oder gar eine Autobahn dürfen nicht gebaut werden. Statt in mehr Asphalt hat man in Unter- und Überführungen für den Wildwechsel investiert sowie in Besucherzentren mit Lehrpfaden. Eines von ihnen ist das Visitor Center Acebuche kurz vor Matalascañas. Auf Holzbohlen durchquert man einen schattigen Wald mit Pinien, wilden Olivenbäumen und Korkeichen. Saftig grüne Farne sprießen im Unterholz. Holzhütten mit Schilfdach laden zur Vogelbeobachtung ein. Doch von Flamingos und Reihern ist hier keine Spur. Statt auf eine Lagune blickt man auf eine sonnenverbrannte Lichtung, umgeben von ausgetrockneten Korkeichen: skurrile Gerippe, die ihre Arme zum wolkenlosen Himmel ausstrecken. „Diese Lagune wird durch Regenwasser gespeist", berichtet die Mitarbeiterin am Infodesk. „Es ist nicht das erste Mal, dass Acebuche ausgetrocknet ist. Im Hochsommer ist das normal. Aber in diesem Jahr hatte die Lagune auch im Winter kaum Wasser“.


Spanien Andalusien Nationalpark Doñana Dürre
Lagune Acebuche: Wann wird es endlich wieder regnen?

Auch in Matalascañas gab es mal ein Besucherzentrum, in dem sich Touristen und Schulgruppen über die Fauna und Flora informierten und lebensgroße Nachbauten von Meeressäugern bestaunten. Das seit 2011 geschlossene Museo del Mundo Marino war Bestandteil des Parque Dunar am Westrand des Badeortes, der ebenso geschlossen ist. Der einzige verbliebene Spazierweg führt zu einer Anhöhe mit einem Leuchtturm. Von dort aus überblickt man ein kompaktes Agglomerat aus Wohnblöcken, Hotels und Tausenden von Eigenheimen, das auf einer Länge von vier Kilometern den hellen Sandstrand säumt. Ganzjährig leben hier nur 2.500 Menschen, aber in der Hochsaison wird Matalascañas zur Großstadt.


Spanien Andalusien Costa de la Luz  Urlaubsort Matalascañas
Auf Sand gebaut: Feriensiedlung Matalascañas

Die Wasserversorgung sichert der Versorger Aqualia mit fünf Pumpstationen, die bis zu 121 Liter pro Sekunde in die Leitungen pumpen. Das kühle Nass stammt aus dem Doñana-Grundwasser und speist neben Küchen und Badezimmern auch Tausende von privaten Pools und Gärten. Dieser Verbrauch, obgleich in den letzten Jahrzehnten gesunken, ist ein seit langem bekanntes Problem für das „Kronjuwel“, wie Spaniens Politiker den Nationalpark gern bezeichnen. Bereits 1988 identifizierten internationale Wissenschaftler in einer vom WWF beauftragten Studie den damals aufstrebenden Urlaubsort als ernsthaftes Problem für das hydrologische Gleichgewicht. Ungeachtet der Warnungen wurden immer mehr Ferienwohnungen und Hotels hochgezogen, auch Investoren aus Deutschland und der Schweiz rund um Leopold Prinz von Bayern waren dabei. Pünktlich zur Jahrtausendwende wurde gegen den Widerstand von WWF und anderen Umweltverbänden Spaniens erster „ökologischer Golfplatz“ eröffnet. Die grüne Etikettierung erwies sich Jahre später, als ein illegaler Brunnen entdeckt wurde, als Schwindel. Heute ist die 2016 geschlossene Sportanlage eine ockerbraune Steppe, umgeben von Reihenhäusern, die trotz stark anziehender Immobilienpreise in Spanien kaum mehr wert sind als vor zwanzig Jahren.


Wunder der Natur

Ockerbraun ist auch die „Grünanlage“ vor dem Gran Hotel Del Coto. Kleinwüchsige Palmen gedeihen ehr schlecht als recht auf dem sandigen Boden. Hinter der ebenfalls ockerbraunen Bettenburg (Baujahr 1988, 466 Zimmer, Holidaycheck 50%) beginnt die Wildnis. Der Zaun des Nationalparks markiert die östliche Grenze von Matalascañas. Weiter geht es nur zu Fuß am Strand entlang oder auf einem Holzbohlen-Pfad, der durch turmhohe Dünen mit hellem Pudersand führt. Der Strand ist 30 km lang, bis zu 100 Meter breit, vollkommen unbebaut und endet am Guadalquivir. Auch im Westen grenzt Matalascañas an einen fast ebenso langen Strand, der hier von rötlichen Sandsteinfelsen und Pinienwäldern gesäumt wird. Insgesamt 56 km unberührter Feinsandstrand – das ist einzigartig in Spanien. Dass hier seit Jahrzehnten nicht gebaut werden darf und tatsächlich auch nicht gebaut wird, ist ein Beispiel für funktionierenden Naturschutz in einem Land, in dem die Bau- und Touristikbranche meistens mehr Gehör findet als WWF und Ecologistas en Acción.



Das unberührte Strandparadies endet im Westen kurz vor der industriell geprägten Provinzhauptstadt Huelva an der Mündung des Flusses Odiel. Hier fließt das Wasser in den Atlantik, mit dem die Zentralregierung in Madrid das Feuchtgebiet Doñana retten will und Sevillas Regionalregierung die Erdbeerbauern ohne Bewässerungslizenzen. Der WWF und andere Umweltverbände sind gegen die Wasserumleitung und fordern alternative Maßnahmen wie Wasseraufbereitung, Reduzierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und Umstellung auf andere Anbaukulturen. Doch der Aufbau der Infrastruktur, für die Madrid über 300 Millionen Euro bereitgestellt hat, ist bereits im Gange. Die Regierung Sánchez handelt unter Zeitdruck, auf nationalem wie internationalem Parkett. 2021 hatte der Europäische Gerichtshof Spanien wegen unterlassener Hilfeleistung für Doñana zu einer Geldstrafe von 60 Millionen Euro verurteilt. Auch die UNESCO ist besorgt. Im September wird eine Delegation die Lage vor Ort unter die Lupe nehmen. Ein Negativbescheid würde Doñana auf die Liste des bedrohten Welterbes setzen. Ein enormer Imageschaden, den die Regierung verhindern will. Pedro Sánchez und seine Umweltministerin Teresa Ribera sind entschlossen, das Gesetz von 2018 in die Tat umsetzen. Die 200 Millionen-Infrastruktur soll ab 2027 rund 20 Milliarden Liter pro Jahr aus den Flüssen Odiel, Tino und Piedras nach Doñana umleiten. Ihr Einzugsgebiet habe einen „Wasserüberschuss“, so die Planer. Die Flüsse entspringen in der 100 km landeinwärts gelegenen Sierra de Huelva, wo es mit über 1000 mm mehr regnet als in Berlin, zumindest im statistischen Durchschnitt der letzten Jahrzehnte. Doch wird dies auch in Zeiten des Klimawandels so sein?

Ein Drittel der angestrebten Gesamtmenge an umgeleitetem Wasser steht aktuell bereits zur Verfügung. Das übergeordnete Ziel der Umleitung ist die Erholung des Grundwasserspiegels im Gebiet des Nationalparks. Der Verbrauch in Matalascañas soll vom Doñana-Grundwasser abgekoppelt werden. Um auch kurzfristige Abhilfe zu schaffen, werden weiter entfernt vom Feuchtgebiet neue Pumpstationen gebaut. Mittelfristig soll der städtische Verbrauch im Einklang mit der EU-Richtlinie zu 20 Prozent durch aufbereitetes Abwasser gedeckt werden.


Spanien Andalusien Nationalpark Doñana Satellitenbild Copernicus Sentinel-2
Unter Beobachtung: bedrohtes Naturjuwel Doñana (Bild: European Union, Copernicus Sentinel-2 imagery)

Am 3. September 2022 meldete der Spiegel, der Nationalpark sei ausgetrocknet. Was nach ökologischem Desaster klang, bezog sich auf das versiegte Wasser in der Lagune Santa Olalla, die in der Regel ganzjährig Wasser führt. Dass das Flachgewässer hin und wieder komplett austrocknet, ist ein sich zyklisch wiederholendes Phänomen, dass zuletzt 1993 und 1985 dokumentiert wurde. Pünktlich zum Ende der Sommerferien und dem damit verbundenen drastischen Rückgang des Wasserverbrauchs in Matalascañas stieg der Grundwasserpegel in wenigen Tagen wieder an und versorgte die ausgetrocknete Lagune mit neuem Nass. Dieser Kausalzusammenhang zwischen Wasserverbrauch in Matalascañas und dem Zustand des Feuchtgebietes unterstreicht die Notwendigkeit, den urbanen Verbrauch vom Grundwasser abzukoppeln. Dieses Ziel soll 2027 erreicht sein.

Aber ist es bis dahin nicht schon zu spät? Auch in Zeiten des Klimawandels sorgt Mutter Natur für Wunder. Drei Monate nach der Spiegel-Meldung, im Dezember 2022, verzeichnete die Provinz Huelva ergiebige Regenfälle. Zu Weihnachten stand die sommertrockene Lagune bis zu einem Meter unter Wasser, Tausende von Flamencos und Wildenten waren zurückgekehrt. Klimaforscher prognostizieren eine Intensivierung von Dürreperioden, gefolgt von mehr Starkniederschlägen. Für das unbewohnte Gebiet von Doñana wird der früher oder später einsetzende Starkregen ein Segen sein.


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