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Costa del Arte: Picassos Tauben

  • oliversdrojek
  • 4. Aug. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Okt. 2021

Das Museo Picasso de Málaga und andere hochkarätige Ausstellungszentren, darunter eine Filiale des Pariser Centre Pompidou, machen die Geburtsstadt von Pablo Picasso zur Kunstmetropole Südspaniens. Rund um das CAC – Centro de Arte Contemporáno gibt es interessante Streetart zu sehen, soll ein kultureller Hub entstehen. Wunschtraum oder Wirklichkeit? Das brandneue Musical-Theater des aus Málaga stammenden Hollywoodstars Antonio Banderas sorgt für Dynamik.

Málaga Picasso Plaza de la Merced
Picasso Skulptur Málaga Plaza de la Merced

Der glatzköpfige, ältere Mann in Sandalen sitzt allein auf dem menschenleeren Platz mit einem Obelisken in der Mitte. In der linken Hand hält er einen Zeichenblock, in der rechten einen Stift. Mit wachen Augen beobachtet er die Tauben. Es ist morgens um sieben an der Plaza de la Merced und die umliegenden Cafés sind noch geschlossen. Der in Bronze gegossene Picasso sitzt vor der Casa Natal de Picasso, dem Haus, in dem der geniale Künstler 1881 zur Welt kam. Pablo Ruiz Picasso verbrachte die ersten zehn Jahre seines Lebens in Málaga. Eindrücke seiner Kindheit haben sein Schaffen bis zum Lebensende geprägt: Mit acht Jahren malte er seine erste Stierkampfszene in Öl, nachdem er mit seinem Vater die Arena „La Malagueta“ besucht hatte. Die Motive Toro und Torero ziehen sich durch Picassos gesamtes Werk, ebenso das der Taube. 1949 schuf der Maler, der zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahrzehnte in Frankreich lebte, seine berühmte Friedenstaube. Weitere Versionen des Motivs schmückten bis 1955 die Plakate der Weltfriedenskongresse. Picassos Friedenstaube wurde zum weltweiten Symbol und gehört zu den Ikonen des 20. Jahrhunderts.


Auch im Museo Picasso de Málaga (MPMA), das 2003 eröffnet wurde und 400 Meter vom Geburtshaus an der Plaza de la Merced entfernt liegt, sind Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen mit Tauben und Stieren zu sehen. Kubismus und moderner Klassizismus, Figuration und Abstraktion: Fast alle relevanten Stile Picassos sind im MPMA vertreten. Die Kunstwerke gehören zur Sammlung der Erben Christine y Bernard Ruiz-Picasso, die den ausdrücklichen Wunsch ihres berühmten Verwandten erfüllten, einen Teil seines Werkes dauerhaft in Málaga zu präsentieren. Zu diesem Zweck investierte die andalusische Landesregierung 66 Millionen Euro in die Restaurierung und Erweiterung des Renaissance-Palastes Buenavista, der das Museum beherbergt. Entworfen vom amerikanischen Architekten Richard Gluckman (Deutsche Bank-Galerie in Berlin) bildet das bauliche Ensemble einen ästhetisch anspruchsvollen Rahmen für die Werke des Künstlers.


Museumsfieber

Die Eröffnung des Picasso-Museums bedeutete für Málaga, das bis dato in kultureller und touristischer Hinsicht im Schatten von Sevilla, Granada und Córdoba stand, ein Davor und Danach. Die Altstadt wurde restauriert und weitestgehend vom Autoverkehr befreit, historische Baudenkmäler wie das römische Theater und die maurische Alcazaba aufgewertet. 2011 wurde das Museo Carmen Thyssen eingeweiht. Es zeigt die Kunstsammlung von Carmen Cervera, Miss España 1961, Ex-Schauspielerin und Witwe des Schweizer Industriellen Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza, Stifter des renommierten Museums in Madrid. Das Museum der in Spanien liebevoll „Tita Cervera“ genannten Persönlichkeit umfasst über 200 Werke mit Schwerpunkt auf spanischer Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und war nicht zuletzt ein Anlass für die Restaurierung der umliegenden Gassen und Plätze.


Spanien Málaga Hafen Centre Pompidou Málaga
Neues Wahrzeichen am Hafen: Centre Pompidou Málaga

2015 wurden zwei weitere hochkarätige Kunstzentren eröffnet: das Centre Pompidou Málaga und das Museu Ruso. Die Dependance des Pariser Ausstellungszentrums liegt an der Hafenpromenade Muelle Uno und programmiert wechselnde Events rund um das Thema Moderne und Gegenwartskunst. Ein bunter Glaswürfel, entworfen vom französischen Künstler Daniel Buren, überdacht das Foyer. Der Cubo gehört zu den neuen Wahrzeichen Málagas. Abseits der Touristenströme im früheren Industrieviertel Huelin liegt das Museo Ruso, eine Filiale des Russischen Museums Sankt Petersburg. In einer 1927 erbauten Tabakfabrik (Tabacalera) zeigt es in wechselnden Jahresschauen russische Kunst von der Ikonenmalerei über Kandinsky bis zur Gegenwart. Mit Blick aufs Mittelmeer wird der Besucher auch mit Stalinporträts und anderen Kreationen des Sozialistischen Realismus konfrontiert. Die Frage ist: Warum gerade in Málaga?


Diese Frage kann man sich auch im Museo Automovilístico y de la Moda stellen. Es befindet sich direkt nebenan in einem Seitenflügel der Tabacalera. Die zur Schau gestellten Studebakers, Minervas, Mercedes, Rolls Roys und Cadillacs, über 80 Modelle insgesamt, gehören João Magalhães. Der Spross einer nordportugiesischen Industriellen-Dynastie hatte in seiner Heimat keinen geeigneten Platz für seine exklusive Sammlung gefunden. Da Málaga gerade vom Museums-Fieber erfasst war, kamen Magalhães und der Bürgermeister Francisco de la Torre ins Geschäft und eröffneten 2011 das Museum. Málaga hatte nie eine Automobilindustrie, die Sammlung stellt keinen lokalen oder regionalen Bezug her. Maite Méndez Baiges, Kunstprofessorin an der Universität Málaga, kritisiert das Museumskonzept in der Tabakfabrik: „Das ist ein reines Ornament der Stadtpolitik, eine Marketingaktion ohne kulturellen Wert“. Sehenswert ist das Museum trotzdem: Die chrom- und lackglänzenden Automobile aus allen Epochen werden wie Kunstwerke präsentiert und zusammen mit Kleidern, Hüten und sonstigen modischen Accessoires in einen sozialhistorischen Kontext gestellt.


Im gleichen Jahr wie das Picasso-Museum öffnete das CAC – Centro de Arte Contemporáneo die Pforten. Das Zentrum für zeitgenössische Kunst befindet sich im ehemaligen Großmarkt in einem Stahlbetonbau von 1942. Die Sammlung umfasst Hunderte von Werken aller Disziplinen, von Malerei und Bildhauerei über Fotografie bis hin zu Video- und Digital Art mit Schwerpunkt auf spanischer Kunst. Aber auch internationale Namen wie Cindy Sherman und Franz West sind in der Sammlung und in temporären Ausstellungen präsent.


Spanien Málaga CAC Zeitgenössische Kunst
Stahlbeton und Kunst der Gegenwart: CAC Málaga

Streetart im Rotlichtviertel

Die Eröffnung des CAC war die Initialzündung für den Wandel des angrenzenden Viertels Ensanche de Heredia. Vor 2003 war es Málagas Schmuddelecke mit Bordellen, Sexshops und Straßenstrich. Ausgehend vom CAC entstand die Idee des „Soho Málaga“, die Stadtverwaltung und Anwohner an einen Tisch brachte. Im Umfeld des Kunstzentrums realisierten nationale und internationale Street-Art-Künstler ihre Ideen. Spektakulär sind die Werke „Paz y Libertad“ (2013) von Frank Shepard Fairey alias OBEY, dem Autor des ikonischen „Hope“-Posters mit Barak Obama, sowie „aPOPcalytica“ von Dean Stockton alias D*Face. Die riesigen Wandmalereien schmücken die Rückseite eines zehnstöckigen Wohnblocks an der Mündung des Rio Guadalmedina. Wer mit offenen Augen durch die engen Straßen des Viertels läuft, wird kleinere, aber nicht weniger interessante Streetart-Werke von Künstlern wie Dal East, ROA, Faith47 und Dadi Dreucol entdecken.


Ateliers und private Kunstgalerien sucht man in Málagas Soho allerdings vergebens. Was in dem 20 Hektar großen Quartier am besten läuft sind Hotels, AirBnb, Bike-Center, Bars und Restaurants. Abgesehen vom CAC beschränkt sich das kulturelle Angebot auf eine Buchhandlung, einen Comic-Laden und das Inlokal „La Fábrica“, wo lokale Bands am Wochenende musizieren.


Broadway am Rio Guadalmedina

Dass die Idee des kulturellen Hotspots nicht tot ist und vielleicht doch noch an Fahrt gewinnt, beweist das Teatro del Soho. Das Musical-Theater wurde von Antonio Banderas ins Leben gerufen und ging kurz vor der Pandemie an den Start. Der 1960 in Málaga geborene Schauspieler, Regisseur und Produzent engagiert sich seit Jahren für die lokale Kulturszene. Banderas, der Ende der 70er Jahre zum ersten Mal auf der Bühne stand, in den frühen Kultfilmen von Pedro Almodóvar den Neurotiker gab und ab 1992 in Hollywood mit Meryl Streep, Brad Pitt und Madonna auftrat, erfüllt sich mit dem Teatro del Soho einen alten Traum: „Das Theater war und ist meine beste Bühne. Die glücklichste Zeit meiner Karriere fand im Theater statt. Seit meinen Anfängen als Schauspieler träumte ich davon, eine eigenes zu haben“. Trotz des pandemiebedingten Fehlstarts setzt Banderas in seinem Schauspielhaus auf Professionalität und Glamour. Ab Oktober 2021 soll wieder der Spielbetrieb von „A Chorus Line“ aufgenommen werden. Das Musical ist eine Koproduktion zwischen dem Broadway-Regisseur John Breglio und Banderas, der in dem Stück selbst singt und tanzt. Die meisten Darsteller kommen aus Málaga und wurden in der Schauspiel- und Musikerschule ESAEM ausgebildet. Sie liegt im Arbeiterviertel Las Delicias und wird seit 2017 von Banderas unterstützt.



Derzeit arbeitet Banderas mit Harrison Ford an den Sets von „Indiana Jones 5“. Zwischendurch zieht er sich in sein Penthaus im Herzen von Málaga zurück. Es liegt nur einen Steinwurf von dem Platz entfernt, an dem Picasso geboren wurde und bietet einen Blick über die Dächer des Museums, das seine Werke beherbergt.

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