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Costa del Arte: Auf Wolke sieben

  • oliversdrojek
  • 30. Juli 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Okt. 2021

Ein Netzwerk aus Galerien für zeitgenössische Kunst setzt Marbella auf die Landkarte des globalen Kunsthandels. Die Protagonisten stammen aus Europa, Amerika und Asien, sind international gut vernetzt und mehrheitlich weiblich. Solidarisch nutzen die Galeristen den kosmopolitischen Charakter der andalusischen Küstenstadt, die Wohlsituierte und Promis aus aller Welt anlockt. Ihre Showrooms liegen strategisch an der „Goldenen Meile“ in noblen Villen und in einem luxuriösen Golfresort, das zu den „Leading Hotels of The World“ zählt.

Kunstgalerie Sholeh Abghari in Marbella

Harlekin-Hose, goldenes Hemd mit Spitzkragen im Stil der 70er Jahre, Sneaker und eine orangefarbene Polaroid Leica über der Brust: Das Outfit von Hubertus von Hohenlohe ist so Pop Art Style wie seine Werke, die er auf der Vernissage von „Narcistic Overload“ in der Galeria de Arte Contemporánea Isolina Arbulo vorstellt. Es ist ein warmer Sommerabend im zweiten Jahr der Covid-Ära. Die Galerie liegt versteckt zwischen Palmen und Bougainvillea in einer weißen Villa an der „Goldenen Meile“, wo Hubertus von Hohenlohe in den 1960er Jahren in dem von seinem Vater Alfonso Prinz zu Hohenlohe gegründeten Marbella Club Hotel aufwuchs. Einige Vertreter des damaligen Jetsets, mit denen der kleine Hubertus Umgang hatte, sowie neuere Ikonen der Popkultur sind auf den digital entfremdeten Fotografien des großen Hubertus zu sehen: Brigitte Bardot, Karl Lagerfeld, Zinédine Zidane…Unverkennbar ist der Einfluss Andy Warhols, mit dem sich Hubertus porträtiert. Überhaupt ist „HvH“ auf vielen seiner Werke selbst zu sehen. „Als frecher, arroganter Infiltrant, als Voyeur, der nicht eingeladen wurde und sich in seine eigene Party eingeschlichen hat“, wie es im Text zur Ausstellung heißt.

Das Event ist gut besucht: Es ist Hochsaison in Marbella und es gibt Moët & Chandon. Zu den Gästen zählen Immobilienhändler, Vertreter der lokalen Kreativszene und eine Hand voll Multimillionäre wie der grau melierte CEO eines italienischen Energiekonzerns und seine blonde Frau, eine Risikokapitalgeberin mit deutschen Wurzeln. Die Galeristin Isolina Arbulo, 1970 in Peru geboren, begrüßt alle persönlich und strahlt, was man ihr trotz Mund-Nasen-Schutz ansieht. Im Garten der Villa, die sich die Kunsthändlerin mit einem Architekturstudio teilt, bedankt sie sich beim Publikum und beim Künstler: „Danke Hubertus für deine Energie, deinen Enthusiasmus, deine verrückten Ideen. Menschen wie du machen die Welt witziger“.


Die HvH-Show ist eher eine Ausnahme im Repertoire der 2018 gegründeten Galerie, die auf junge Talente und weibliche Künstler setzt. Arbulo ist Mitglied des Verbandes MUAC (www.galeriasdemarbella.com), der gemeinsame Messeauftritte und das Marbella Gallery Weekend organisiert. MUAC zählt derzeit sieben Galerien 2017 und wurde von Marifé Nuñez ins Leben gerufen. Die aus Córdoba stammende Designerin und Malerin betreibt die Es Arte Gallery im Stadtteil Nueva Andalucía in der Nähe des Yachthafens Puerto Banús. Marifé Nuñez definiert ihre Galerie als ein „Labor, in dem Künstler ihre ideologischen und ästhetischen Narrative frei entwickeln können, ohne Beschränkungen oder Einschnitte von außen“. Im Katalog von Es Arte finden sich sowohl einheimische als auch ausländische Künstler wie Teresa Carneiro aus Portugal, Raphael Langowski aus Brasilien, die mexikanische Fotografin und Regisseurin Rebecca Massey.

Künstlerin und Galeristin: Marifé Nuñez, die Betreiberin der Es Arte Gallery

Auch das Spektrum der anderen MUAC-Mitglieder ist so heterogen und kosmopolitisch wie Marbella selbst. Mit der Wadström Tönnheim Gallery haben es sich die Schweden Mattias Tönnheim und Andreas Åkesson zur Aufgabe gesetzt, „die Relevanz der Malerei für die heutige visuelle Kultur in Wechselwirkung mit Fotografie, Skulptur, Installation, Video und Zeichnung zu fördern“. Die Skandinavier vertreten sowohl junge schwedische Künstler wie die Zeichnerin Charlotte Walentin als auch vor Ort Ansässige wie den 1978 in Buenos Aires geborenen Eisenbildhauer Matías Di Carlo, der im 45 km entfernten Ronda seine Werkstatt hat.


Auf junge Kunst aus Lateinamerika, Afrika und Deutschland setzt Reiners Contemporary Art der 1984 in Salvador de Bahía geborenen Flor María Reiners. Die Brasilianerin hat 12 Jahre in Deutschland gelebt, Literatur und Kunst studiert und zwischen Berlin, Köln und Düsseldorf ihr Handwerk als Kultur- und Eventmanagerin erlernt. 2018 wagte sie den Schritt zur Eröffnung ihrer eigenen Galerie in Marbella. Auch sie liegt außerhalb des urbanen Zentrums, wie die meisten MUAC­-Galerien. „Das man hier im Auto zu den Galerien fahren muss, daran musste ich mich erst mal gewöhnen“, erzählt Flor. „Verglichen mit Basel, Köln oder Madrid spielt Marbella noch eine kleine Rolle auf dem Kunstmarkt, das Publikum ist vergleichsweise ungeschult. Doch das Potenzial ist enorm. Marbella ist ein Magnet für Luxustouristen und Wohlhabende aus aller Welt, die sich hier niederlassen. Unsere Aufgabe ist pädagogischer Art und zielt darauf ab, Einwohner und Besucher für zeitgenössische Kunst zu begeistern“, berichtet die Kunsthändlerin, die rund 20 Namen in ihrem Portfolio hat. Dazu zählen Sandra Ackermann, Meisterschülerin der Frankfurter Städelschule, die Brasilianerin Flavia Junqueira und Stephan Kaluza, in Deutschland seit dem multimedialen „Rheinprojekt“ bekannt. „Reiners Contemporary Art konzentriert sich auf Kunst, welche die Gesellschaft der Gegenwart reflektiert und zum Nachdenken anregt. Meine Galerie ist ein Raum, in dem Brasilien und Deutschland Platz finden – zwei Länder, die für mich Heimat sind, in professioneller und emotionaler Hinsicht“.

Flor María Reiners fördert einen sozialen und politischen Dialog zwischen Europa und Lateinamerika, den sie im Sommer 2021 mit der Ausstellung „Revolutions Per Minute: Side B“ nach Afrika und Nordamerika ausweitet: In der Schau präsentiert die Galeristin und Sammlerin Werke von Idowu Oluwaseun. Der Maler wurde 1982 in Nigeria geboren, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und lebt derzeit in Houston. Es sind großformatige Acrylbilder mit leuchtenden Farben und in hyperrealistischer Manier; Porträts von Menschen aus der Heimat von Oluwaseun, wie er sie in seiner Jugend vor dem Internetzeitalter erlebt hat: Besitzer von Radios, Schallplatten und Kassettenrekordern, die mit ihren Objekten posieren und deren Gesichter der Maler geheimnisvoll in Stoffe hüllt. Das Rohmaterial seiner sinnlichen, farblich dynamischen und detailreichen Malereien sind Fotografien aus jener Zeit. Vor einem kleineren Bild von Oluwaseun, das für ein paar Tausend Euro zu haben ist, erklärt Flor ihre Philosophie: „Schon als Studentin, als ich gerade mal so über die Runden kam, habe ich Kunst gekauft. Kunst ist lebensnotwendig, kein entrücktes oder elitäres Phänomen. Wir wollen Kunst in den Alltag der Menschen bringen“.


Diese Idee teilt auch Sholeh Abghari, wenn auch aus einer anderen Perspektive. Die aus dem Iran stammende Galeristin betreibt die Sholeh Abghari Art Galery. Als einzige der sieben MUAC-Mitglieder befindet sie sich mitten im Stadtzentrum in direkter Nachbarschaft zu luxuriösen Modeboutiquen und Hotels, nicht weit vom Anwesen der saudischen Königsfamilie entfernt. Abghari hat in Paris und London gelebt und krönt ihren CV mit einem Art Business-Abschluss von Sotheby’s. In ihrem Showroom veranstaltet sie feine Dinner und Events. Hausbesitzern und Real Estates bietet sie Art Staging zur Aufwertung ihrer Immobilien an. Sholeh Abhgari vertritt iranische Künstler und Künstlerinnen verschiedener Generationen, die traditionelle persische Kunst mit Pop-Art und anderen westlichen Strömungen verbinden, teils mit politischer Brisanz. In ihrem Portfolio finden sich weiterhin Künstler aus Südafrika, China und den USA.

Eine lange Erfahrung auf dem internationalen Parkett haben Yusto/Giner. Juan Pablo Yusto und Graciela Giner gehören mit ihrer 2012 gegründeten Galerie zu den Veteranen der MUAC-Szene. Im Frühjahr 2021 engagierten sie sich auf der Art Dubai, der ersten großen Präsenz-Kunstmesse nach dem weltweiten Lockdown. Yusto/Giner präsentieren hauptsächlich Künstler aus Spanien und Lateinamerika, darunter neue Stars der internationalen Szene wie die 1966 in Andalusien geborene Malerin Ángeles Agrela. Ihre farbintensiven Frauenporträts mit extravaganten Haar-Skulpturen schmücken Mode- und Lifestylemagazine wie Harper’s Bazaar und sorgten auch in Dubai für Aufsehen. Aber auch die filigranen, geometrischen Papierkonstruktionen des Japaners Katsumi Hayakawa und die um das Mysterium der Frau kreisenden Gemälde von Rosa Loy, Vertreterin der Neuen Leipziger Schule, haben Platz im Portfolio von Yusto/Giner.


Wenn jemand alle Karten auf die Synergie von Luxustourismus und Kunsthandel setzt, dann ist es Badr el Jundi. Mit der Eröffnung seiner Galerie im Golfresort Anantara Villa Padierna Palace, das zu den „Leading Hotels of the World“ zählt und in dem Michele Obama ein paar Tage verbrachte, gelang dem Kunsthändler libanesischer Abstammung ein genialer Schachzug. Badr el Jundi, der in verschiedenen Ländern Asiens, Afrikas und Europas gelebt hat, ist seit 2019 in Marbella präsent. 2020 war für ihn wegen der pandemiebedingten Schließung des Hotels ein Annus horribilis. Seit 2021 geht es aufwärts. Seine Ausstellungsräume in dem neoklassizistischen Hotelbau und den Außenbereichen des Resorts werden auch von Menschen besucht, die gar nicht vorhatten, in Marbella Kunst der Gegenwart zu betrachten. Andererseits kommen jetzt auch Sammler zielgerichtet in die Villa Padierna, die mit Hunderten Gemälden und Skulpturen vergangener Jahrhunderte dekoriert ist.

Die von Badr el Jundi zur Schau gestellten zeitgenössischen Werke sind eine Horizonterweiterung. In der marmoredlen Lobby provozieren die aus Plastikmüll gefertigten „The Towering Twins“ von Moffat Takadiwa aus Simbabwe, in der parkähnlichen Gartenanlage fällt das abstrakte Gebilde „Sindbad“ des britischen Bildhauers Tony Cragg aus dem gefälligen Rahmen. Badr el Jundi will kulturelle Gräben überbrücken, den Dialog und das intellektuelle Wachstum fördern. Die opulente Kulisse der Villa Padierna nutzt er auch für das digitale Projekt „Living Room“. Hier stellen junge spanische Künstlerinnen ihre multimedialen Arbeiten live per Videokonferenz vor. Die Galerie für zeitgenössische Kunst in der Villa Padierna ist eine Win-win-Situation für alle: den Galeristen, das Hotel, die Gäste sowie Marbella als Newcomer auf dem internationalen Kunstmarkt.




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